Infotag

An einem „Infotag“  (22.11.2024) informierte die Stadt Wien die zahlreichen BürgerInnen im Infozentrum Nordwestbahnhof u.a. über  das Mobilitätskonzept des neuen Stadtteils auf dem Nordwestbahnhofareal. Auch die BürgerInnen nahmen kein Blatt vor den Mund und „informierten“ die städtischen ReferentInnen über ihre Fragen und Meinungen. Wir lauschten den Dialogen beim „Mobilitätskonzept“, dokumentieren und ordnen sie hier ein.

Über vier Stunden erläuterten VertreterInnen der Stadt die Nordwestbahnhofplanungen und speziell  DI Michael Skoric von der Firma „con.sens mobilitätsdesign“ anhand von Schaubildern das im Auftrag der Stadt Wien erstellte Mobilitätskonzept Nordwestbahnhof, beantworteten Fragen, hörten sich Wünsche und Beschwerden der BürgerInnen dazu an.

Folgende Aussagen auf den Schaubildern des Mobilitätskonzepts erregten dabei die größte Aufmerksamkeit:

  1. „Durch das Areal führen außer der Hellwagstraße keine Durchzugsstraßen.“
  2. „Die Grüne Mitte erhält an der Westseite mit dem Parkbegleitweg eine schnelle und direkte Radverbindung (in weiterer Folge) bis zum Brigittenauer Spitz.“
  3. „In der Nordwestbahnstraße wird ein durchgängiger, breiter Zweirichtungsradweg umgesetzt.“
  4. „Im Umfeld der Schulen wird auf ein höchstes Maß an Verkehrssicherheit geachtet.“
  5. Zufahrten sind nur über Stichstraßen vorgesehen. Diese haben größtenteils den Charakter einer Begegnungszone.“

Leider wurden aus unserer Sicht bei den Präsentationen der VertreterInnen von Stadt und Firma „con.sens mobilitätsdesign“ wichtige Fakten betreffend Motorisierungsgrad, Verkehrsflächenangebot, Klima (Hitzeinseln) und BürgerInnen-Befragungsergebnissen in Brigittenau und Wien nicht oder nur wenig angesprochen. Diese hätten zum Verständnis der Planungen beitragen können.

Daher möchten wir das hier nachholen, bevor wir später auf die Äußerungen der BürgerInnen genauer eingehen:

Brigittenauer Motorisierungsgrad unterdurchschnittlich

„Der derzeitige Motorisierungsgrad im 20. Bezirk liegt deutlich unter dem Wiener Durchschnitt. Während es in Wien 375 Pkw pro 1.000 EinwohnerInnen gibt, sind es im 20. Bezirk nur 285 Pkw pro 1.000 Einwohner*innen.“ Mobilitätskonzept Nordwestbahnhof, Seite 27.

Fast die Hälfte der Wiener Haushalte autofrei

„In Wien ist fast die Hälfte der Haushalte autofrei.“ VCÖ, 2019/2020

„Während im Jahr 2010 der Anteil der autofreien Haushalte 41 Prozent betrug, kletterte der Anteil bis zum Jahr 2020 auf 47 Prozent. Gleichzeitig ist der Anteil der Haushalte mit einer Öffi-Jahreskarte von 40 Prozent auf zuletzt 52 Prozent gestiegen, wie die VCÖ-Analyse auf Basis von Daten der Statistik Austria zeigt.“ VCÖ (Wien, 9. Juni 2021)

D.h. gerecht wäre es, wenn einer wahrscheinlich auch in der Brigittenau – angehenden oder bereits tatsächlichen – Mehrheit der hier unterdurchschnittlich verdienenden Haushalte ohne Auto, die zu Fuß, mit Rad oder Öffis unterwegs sind, auch die Mehrheit des  Platzes für Öffis, Geh- und Radwege zur Verfügung steht.

Kfz legen ein Drittel der Wege auf zwei Dritteln der Verkehrsflächen zurück

„Zwei Drittel der Verkehrsflächen in Wien sind für Fahrbahnen und Parkplätze reserviert.“ Wien schauen, 2021.

Weniger als ein Drittel der Wege in Wien wurden 2023 mit dem Auto zurückgelegt. Mobilitätsagentur Wien

D.h. gerecht wäre es, wenn die Verkehrsflächen für Straßen und Parkplätze in Wien auch nur dem Anteil der Wege, die in Wien mit dem Auto zurückgelegt werden, entspricht.

Stark überwärmte Brigittenau

In der KLIMAANALYSEKARTE der Stadt Wien (2020) wird  das Gebiet rund um das Nordwestbahnhofgelände mit „Starker Überwärmung“ markiert.

Ausschnitt Brigittenau mit Nordwestbahnhof der Wiener Klimaanalysekarte

D.h. gerecht wäre es, wenn die Bevölkerung in der Umgebung des Nordwestbahnhofgeländes zumindest die gleichen klimatischen Bedingungen hätte wie derzeit auf dem Großteil des Geländes (= „Moderate Überwärmung“) oder später mit der Grünen Mitte.

BürgerInnen wollen mehr Platz für Grün, Gehsteige und Radwege

An erster Stelle votierten die über 900 BürgerInnen, die sich zwischen 3. und 10. April 2024 an der Befragung der Bezirksvorstehung Brigittenau zur Umgestaltung der Wallensteinstraße beteiligt haben, für  „mehr Begrünungen und Schatten“.

D.h. demokratisch wäre es, wenn den Bürgerbefragungsergebnissen entsprochen wird und den BürgerInnen in der umgestalteten Wallensteinstraße …
– „mehr Begrünungen und Schatten“,
– „breitere Gehsteige“,
– „mehr Sicherheit für Kinder“,
– „mehr Sitzgelegenheiten“ und
– sicheres Radfahren …
… z.B. in Form einer Begegnungszone ermöglicht wird.

Superblocks und Verkehrsfilter um das Nordwestbahnhofgelände herum!!!

Aus dieser Faktenlage heraus plädiert die Bürgerinitiative Nordwestbahnhof für die Umwandlung des Alt-Bestands (inklusive Kleingärten) um das Nordwestbahnhofgelände herum zu stark begrünten, verkehrsberuhigten, sogenannten „Superblocks“ mit Unterbindung von Kfz-Durchgangsverkehr durch Verkehrsfilter (= Sackgassen, Pollerreihen, Einbahnen, Fahrbahnschwellen, Tempobeschrä kungen, Kfz-Fahrverbote, Schrankenanlagen, Geländesprünge mit Stiegenanlagen o.ä. mit Ausnahmen für AnrainerInnen, Zufußgehende, Radfahrende, Öffis, Lieferanten).

Superblock-ähnliche Strukturen funktionieren bereits gut im Stuwer- und Nordbahnviertel.

Plädoyer für Superblocks um das Nordwestbahnhofgelände herum
Quelle: https://radlobby.at/superblock-grundkarte

Superblock-ähnliche Strukturen in Stuwer- und Nordbahnviertel
Quelle: https://radlobby.at/superblock-grundkarte

Wir finden aus obigen Gründen, dass die (angehende oder wahrscheinlich schon tatsächliche) Mehrheit der autolosen AnrainerInnen des Nordwestbahnhofgeländes im Alt-Bestand auch ein Recht auf „Autofreiheit“ durch solche Superblocks mit …
…mehr öffentlichem Platz für …
– Grünanlagen, Bäume (Erhalt der Kleingärten),
– breitere Geh- und Radwege (auch durch das Nordwestbahnhofgelände),
– Sitzgelegenheiten, Radabstellanlagen sowie
– Begegnungszonen und
– Öffis…
 …hat und für sie daher weniger bzw. kein öffentlicher Platz mehr für
Parkplätze und Kfz-Durchzugsverkehr mit den damit verbundenen Lärm- und Abgasbelastungen  verschwendet werden sollte.

Aber lesen Sie nun selbst wie der – unvollständige, nicht wörtliche aber sinngemäß wiedergegebene – Dialog zwischen BürgerInnen und VertreterInnen der Stadt ablief. Wir haben einige Statements von VerkehrsexpertInnen und Anmerkungen der Bürgerinitiative Nordwestbahnhof hinzugefügt:

Kritik an steigendem Kfz- Verkehr und Lärm

Täglich dichter Feierabend-Kfz-Verkehr im Nadelöhr Hellwagstraße, Nordwestbahnstraße und Pappenheimgasse, der auch den öffentlichen Verkehr einbremst.

* Warum gibt es keine geplante Durchgangsstraße quer durch das Gelände? Sie sollte eine Entlastung sein. Es gibt jetzt schon häufig Stau in der Pappenheimgasse und Hellwagstraße

Anmerkung der Bürgerinitiative Nordwestbahnhof (BI NWBH):
Wir geben zu bedenken, dass…
Wer Straßen baut, wird Verkehr ernten(Günter Emberger, Verkehrsexperte der TU Wien).

Nadelöhr Hellwagstraße

* Das Nadelöhr Hellwagstraße ist so jetzt schon schlecht. Bevor Autofahrer leiden werden sie das Auto abschaffen.
* Auf der Taborstraße ist jetzt schon permanenter Stau.
* Es werden sich die Autos mit der Bim um den Platz prügeln.

Feierabend-Stau in der Taborstraße

Dazu Professor Dr. Joachim Scheiner, Fachgebiet Verkehrswesen und Verkehrsplanung der TU Dortmund:
Um das Auto in öffentlichen Räumen wirklich zurückzudrängen, brauchen wir eine restriktivere Verkehrspolitik. Etwa dem Auto Raum wegnehmen, also weniger Parkplätze anbieten oder Straßen, auf denen sich der Verkehr staut, damit den Leuten die Lust am Fahren vergeht. Autofahren muss teurer werden.

Anmerkung Bürgerinitiative Nordwestbahnhof:
Autos werden sich nicht mit Bim oder Bussen um den Platz prügeln, wenn der Kfz-Durchzugsverkehr unterbunden wird.

* Eine Begegnungszone in der Wallensteinstraße wird den Verkehr vergrößern. Man denkt nicht an die AnrainerInnen. Die Wohnqualität sinkt dadurch.

Anmerkung Bürgerinitiative Nordwestbahnhof:
Der Verkehr in den Haupt- und Nebenstraßen um die Begegnungszone herum wird nicht steigen, wenn dort Durchzugsverkehr mittels Superblocks und Verkehrsfiltern unterbunden wird.

* Wieviel mehr Kfz wird es in der Wallensteinstraße geben?
* Verkehrsberuhigung? Was ist mit den AnrainerInnen?
* Es sollte eine Tempobeschränkung auf der Nordwestbahnstraße geben. Die Leute brettern da durch. Sie lärmen in mein Schlafzimmer.
* Warum gibt es dort überhaupt nicht mehr Schwellen, um die Kfz zur Einhaltung von 30km-Beschränkungen zu zwingen?

Anmerkung Bürgerinitiative Nordwestbahnhof:
Beispielsweise an der Ecke Wallensteinstraße/Nordwestbahnstraße wird der Kfz-Verkehr(slärm) gegenüber heute um 46% steigen, wenn nicht Superblocks und/oder weniger Stellplätze (per Stellplatzregulativ)/Hochhäuser im Städtebauvorhaben sowie mehr Tempo 30 – Zonen mit Überwachung oder Fahrbahnschwellen geplant werden.


Laut UVP-Unterlagen der ÖBB prognostizierte Veränderung in Anzahl Kfz / 24h 2019->2035; Daten-Quelle: https://nextcloud.free.de/s/DPLpgDsM378oSWy


* Die Rebhanngasse ist jetzt Schleichweg für Kfz von Innstraße Richtung Taborstraße, die trotz 30km/h Zone und dort geplanter Schule in schnellem Tempo fahren, um sich eine Ampel zu ersparen. Warum wird die Rebhanngasse keine Einbahn in die andere Richtung Innstraße, um den schnellen Schleichweg-Verkehr zu verhindern?
* Warum müssen wir den Verkehr der Dresdnerstraße in der Rebhanngasse aufnehmen?

Anmerkung Bürgerinitiative Nordwestbahnhof:
Um den schnellen Schleichwegverkehr in der Rebhanngasse zu verhindern, fordert auch die Radlobby seit längerem, dass „Universumstraße, Philomena-Haas- und Rebhanngasse Fahrradstraßen miteingedämmten Verkehrsläufen nur zum Zu- und Abfahren (Verkehrsfilter) werden.“


* Bleibt der 5A aufgrund des großen Kfz-Aufkommens?
DI Michael Skoric von der Firma „con.sens mobilitätsdesign“:
Ja. Es ist der Neubau einer Straßenbahnlinie 29 entlang dem Augarten angedacht. Daher würde der 5A vielleicht durch die Nordwestbahnstraße geführt.

Kritik an der Reduktion der AnrainerInnen-Kfz-Stellplätze

* Apropos Verbreiterung des Radwegs in der Nordwestbahnstraße: Was bedeutet das für Kfz? Super: Parkplätze für AnrainerInnen entfallen. Die Kfz-Lenker werden in der Gegend kreisen und nach Parkplätzen suchen, weil sich nicht alle Garagen-Parkplätze nehmen. Wohin sollen die Autos? Warum reicht nicht die Radverbindung in der Grünen Mitte anstelle des breiteren Zweirichtungsradwegs  in der Nordwestbahnstraße. Da fühlt man sich gefrotzelt.
* Dass ein Parkstreifen in der Nordwestbahnstraße wegkommt, ist eine Frechheit.
* Wird der Parkstreifen in der Rebhanngasse bleiben?
* Mit Einführung der Parkraumbewirtschaftung 2009 sind viele (Oberflächen-) Stellplätze frei geworden. Durch die jetzigen Neubauten (am Rande des Nordwestbahnhofgeländes) gibt es diese jedoch nicht mehr.

Anmerkung der Bürgerinitiative Nordwestbahnhof:
Angesichts der geplanten Stellplatz-Reduzierungen gemäß Mobilitätskonzept Nordwestbahnhof für Nordwestbahnstraße Nord (-82,6%), Nordwestbahnstraße Süd (-28,2%) und Rebhanngasse (je nach Variante bis zu -100%) empfehlen wir AnrainerInnen, sich rechtzeitig um angebotene, freie Garagenplätze in ihrer Nähe zu kümmern bevor das Kreisen auch von den neuen Kfz-LenkerInnen, die im  Neubau keinen Tiefgaragenplatz mehr bekommen oder wollen, beginnt:

z.B. bei
Wiener Wohnen
Stadt Wien
A nach B
 
Fragen nach Stellplätzen im Neubaugebiet

* Wieviel Kfz-Stellplätze sind im Neubaugebiet geplant?

DI Michael Skoric von der Firma „con.sens mobilitätsdesign“:

In Bauphase 1 gibt es kein Stellplatzregulativ. In den späteren Bauphasen 2-4 muss die Stellplatzverpflichtung um 30% gesenkt werden und es könnte dann Stellplatzregulative geben, die die geplanten Stellplätze weiter reduzieren würden. In Summe werden etwa 3.300 Stellplätze bei Berücksichtigung der Bauordnungsnovelle gebaut.

* Wird es mehr Radstellplätze geben?

DI Michael Skoric von der Firma „con.sens mobilitätsdesign“:
30% mehr laut Konzept – privat und auch öffentlich.

Kritik an einer möglichen „Trutzburg“ mit Wohnsilos

* Werden die Stichstraßen so gestaltet, dass das Neubaugebiet für die AnrainerInnen im Alt-Bestand wie eine „Trutzburg“ wirkt?
* Die Wohnqualität sinkt, weil vor unseren Fenstern lauter Wohnsilos errichtet werden sollen.

Antwort eines Vertreters der Stadt:
Das Neubaugebiet wird von der Anmutung wie das Nordbahnviertel aussehen. Im Jänner 2025 startet ein Realisierungswettbewerb des geplanten Parks, bei dem auch die Gestaltung der Stichstraßen ein Thema ist. Der Park soll teils naturnah und teils als klassischer Park gestaltet werden. Es wird keine Extrabefragung der BürgerInnen mehr geben. Die bisherigen Befragungsergebnisse werden in die Parkplanung einfließen.

Anmerkung der Bürgerinitiative Nordwestbahnhof:
Wir haben in unserer Stellungnahme zur Flächenwidmung gefordert:
„Statt einer „Mauer“ (aus Wohnsilos einer Trutzburg) soll das Grün …  in breiten Grünschneisen aus der Grünen Mitte herauswachsen, so dass sich ein hoher Grad an Durchlässigkeit der Grünanlagen Richtung Alt-Bestand ergibt.“

Fragen nach der Zukunft der alten Bahntrasse („Highline“)

* Was passiert mit der alten Bahntrasse?

Antwort eines Vertreters der Stadt:
Die „Highline“ ist Zukunftsmusik.

* Ab wann wird es über die Bahntrasse einen Zugang zur Donau geben?
DI Michael Skoric von der Firma „con.sens mobilitätsdesign“:
Das steht noch in den Sternen.

Anmerkung der Bürgerinitiative Nordwestbahnhof:
Die Stadt Wien sollte umgehend Verhandlungen mit den ÖBB aufnehmen, bevor die ÖBB auf ihren Bahnflächen vollendete Tatsachen schafft, die den Umbau der Bahntrasse zu einem Radschnellweg mit Flaniermöglichkeiten für Zufußgehende („Highline“) verunmöglicht.



Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

Kommentare

2 Antworten zu „Infotag“

  1. Avatar von René
    René

    Wie schaut es mit der Tram durch das Wohngebiet und der Vernetzung und Erreichbarkeit (Kleinbusse?) mit bestehenden Öffis (U6, Schnellbahn, …) aus?

    Normalerweise Weise führen Autos in Garagen unter Wohngebäuden oder vor Gebäuden dazu, dass der vergleichsweise längere Weg zu Öffis nicht bestritten wird.

    Wegnehme von Stellplätzen an der Oberfläche entspricht den Zielsetzungen der Stadt Wien und bietet die Chance, Klimawandelanpassungen vorzunehmen.

    Wird der Campus nur per Rad oder zu Fuß erreichbar sein? Dies wäre gut? Wie schaut es mit Anbindungen dafür aus?

    1. Avatar von Bürgerinitiative Nordwestbahnhof

      Hallo René,

      alle uns bekannte Antworten zu Deinen Fragen finden sich im Mobilitätskonzept Nordwestbahnhof: https://www.wien.gv.at/pdf/ma21/nordwestbahnhof-mobilitaetshandbuch.pdf

      Liebe Grüße von Rolf Nagel, Sprecher der BI Nordwestbahnhof

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert