von Nora Birnbacher
Begeben wir uns auf ein Gedankenexperiment: wie wäre Wien, wenn…
… der motorisierte Individualverkehr nicht mehr den Mittelpunkt der Stadtgestaltung darstellen würde?
Gleich vorab: Es muss nicht gänzlich auf den motorisierten Individualverkehr verzichtet werden. Es sollte eher die Stadt so angepasst werden, dass es Freude macht, sich auch ohne Auto fortzubewegen. Autofahrer:innen sollen durch ein gutes Angebot an Alternativen dazu angeregt werden, auf ihr Auto zu verzichten.
Stellen wir uns ein Wien vor, wie es sein könnte, wenn es weniger Autos gäbe. Das Erste, was mir in den Sinn kommt, ist Ruhe, weniger Lärm, weniger Hektik, saubere Luft. Vielleicht könnten wir auch die Natur wieder besser wahrnehmen – Vogelgezwitscher.
Mehr Raum für Personen anstatt für Autos. Nette verkehrsberuhigte Straßen, die zum Schlendern und Verweilen einladen. Mit Sitzmöglichkeiten, Spielplätzen und Ecken unberührter Natur. Austausch zwischen Menschen. Kinder können sich frei bewegen und die Natur in wilden Ecken entdecken. Mehr Raum für Schanigärten. Im Bereich von Schulen könnten Kinder wieder selbstbestimmt zum Schulgelände gehen, ohne vom starken Verkehr gefährdet zu werden. Das Stadtbild würde sich verändern, weniger parkende Autos auf Touristenfotos.
Mehr Platz für Radwege, breitere Fußwege – dies wiederum ermöglicht mehr Inklusion, weil es leichter ist für Personen mit eingeschränkter Mobilität am Leben teilzuhaben, wenn der öffentliche Raum Menschen ins Zentrum stellt. Weniger Stress durch Stau und gestresste Autofahrer:innen. Leichteres Zufahren für Rettungsautos und Handwerker:innen, die auf ein Auto tatsächlich angewiesen sind.
Wie aber kann so eine Umgestaltung möglich werden, wo ist Wien schon auf einem guten Weg und was ist eigentlich die Ausgangslage?
Wien: Wie es ist – wie es sein könnte
Täglich kommen aus dem Umfeld ca. 464.000 Autos nach Wien, diese Menschen müssen Pendeln, weil sie in Wien arbeiten. In diesen Autos sitzt im Schnitt genau eine Person. Viele dieser Menschen können derzeit noch nicht ganz auf ihr Auto verzichten, weil schlicht die Infrastruktur fehlt. Ich selbst komme vom Land und weiß, wie es ist, wenn man immer auf ein Auto angewiesen ist. Gleichzeitig genieße ich es, dass es bereits jetzt in Wien viele Möglichkeiten der Öffi-, Fuß oder Radwegnutzung gibt. Daher gilt es, für diese Menschen eine Möglichkeit zu schaffen, ihre Autos in Park & Ride-Stellplätzen abzustellen, um dann auf Öffis umzusteigen. (Tipp: Der Standard-Podcast: Wie Wien ohne Autos funktionieren würde)
Für die Wiener:innen kann man allerdings sagen, dass es schon jetzt ein sehr gutes Öffi-Netz gibt, das auch von vielen gerne genutzt wird. Generell ist Wien, wenn man die Stadtgestaltung betrachtet, eine Stadt, bei der es sehr gut möglich wäre, von Mono-Auto-Verkehr wieder auf eine vielseitig genutzte Straße umzuplanen. Infrastrukturkonzepte gibt es bereits aus anderen Ländern und werden teilweise sogar schon umgesetzt. Beispielsweise wird bis zum Herbst 2025 das erste Supergrätzel in Wien Favoriten gestaltet. Die Idee eines Superblocks (oder Supergrätzels) kommt ursprünglich aus Barcelona. Mit dieser Methode werden ganze Blocks beruhigt, die Straßen innerhalb des Blocks werden so geführt, dass Autos zwar noch zu den Garagen und Häusern fahren können. Danach werden sie aber bei der nächsten Gelegenheit wieder aus dem Supergrätzel auf die nächstgrößere Straße geleitet. Für Fuß- Radverkehr, Rettung, Feuerwehr und Müllabfuhr gibt es keine Einschränkungen. Bei der Neugestaltung solcher Projekte, ist es von Vorteil, wenn Bürger:innen in die Gestaltung miteinbezogen werden, wie es in Favoriten der Fall war. So können großartige neue Stadtteile entstehen.

Was auf dem Spiel steht – und was zu gewinnen ist
„If you plan cities for cars and traffic, you get cars and traffic. If you plan for people and places, you get people and places.“
Ganz nach diesem Motto sollte es ein Anliegen im Namen aller sein, unsere geliebte Stadt zukunftsfit, klimaresilient und gesundheitsfördernd zu planen und umzustrukturieren. Wir sollten uns darauf fokussieren die positiven Seiten hervorzuheben, welche unweigerlich mit weniger Verkehr einhergehen.
Neben Unfalltoten führt leider auch der Feinstaub zu verschiedenen Herz-Kreislauferkrankungen sowie Lungenerkrankungen und damit verbundenen Todesfällen. Laut Europäischer Umweltagentur verursacht die Luftverschmutzung durch Feinstaub, Stickstoffdioxid und Ozon in Österreich 6.100 vorzeitige Todesfälle pro Jahr, das sind 69 Todesfälle pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner. In elf anderen EU-Staaten ist die Zahl der Todesopfer im Verhältnis zur Bevölkerungszahl niedriger als in Österreich, macht der VCÖ aufmerksam. Wenn Österreich die neuen Luftqualitätsrichtlinien der Weltgesundheitsorganisation WHO erreicht, können 2.900 vorzeitige Todesfälle vermieden werden. Der VCÖ fordert verstärkte Maßnahmen zur Reduktion des Auto- und Lkw-Verkehrs in den Ballungsräumen.
Paris ist derzeit die „grüne Vorzeigestadt“, welche mit Entsiegelung und dem Anlegen von Gartenstraßen mehr Grünraum und ein besseres Stadtklima schafft. Wien will aufholen, was in dem Stadtentwicklungsplan bis 2040 abgebildet ist. Thomas Madreiter, Planungsdirektor im Magistrat der Stadt Wien, sagt dazu im Ö1 Journal vom 07.05.25:
„Wir reden bei der Gartenstraßen nicht von der Begrünung der Straßen, sondern ist tatsächlich das Ziel, das Flächen, die bisher die Anmutung von Straßen hatten in Parks verwandeln […]. Diese 25 neuen Gartenstraßen ist eine Untergrenze […].“
Die Klimakrise erfordere ein Umdenken, da die Temperaturen in der Stadt besonders stark steigen. Wien will bis 2040 klimaneutral werden.
[…] „Wir sehen, dass die Wiener und Wienerinnen in immer stärkerem Ausmaß aufs Auto verzichten, der Radverkehr ist massiv am steigen. In den letzten Jahren hat es eine massive Radweg-Ausbau-Initiative gegeben […] so gibt es die Möglichkeit, einzelne Straßen wieder neu zu denken. Und natürlich klingt das heute ungewöhnlich, aber es wird uns gelingen. Eines unserer Paradigmas im neuen Wienplan ist etwa auch die bewegungsfreundliche Stadt, wo es uns schlichtweg darum geht, dass Menschen sich eingeladen fühlen sich zu Fuß zu bewegen, mit dem Fahrrad bewegen. Dass das einfach gut funktioniert, komfortabel funktioniert damit eben auch ein möglichst hoher Anteil der Menschen zu Fuß geht, mit dem Fahrrad fährt. Was eben gut für die Stadt ist, aber auch für jeden Einzelnen ist, weil er gesünder ist und sich auch besser fühlt.“
In diesem Sinne sollten wir uns alle angesprochen fühlen, uns für eine zukunftsfitte Stadtgestaltung in einem Miteinander einzusetzen. Geben wir dem Auto weniger Platz im öffentlichen Raum, um so einen Mehrwert in Form von Erholungsbereichen, Schatten und Natur zu gewinnen. Das Auto etwas einzuschränken, muss nicht als Verlust empfunden werden, sondern kann eine Chance sein, etwas Gewohntes ganz neu zu erfahren. In diesem Sinne setzten wir uns dafür ein, dass in dem neuen Nordwestbahnviertel nicht nur der Verkehr direkt im Viertel mitgedacht wird, sondern auch der Zu- und Abflussverkehr in die angrenzenden Gebiete. Wir sind daher für eine biodiverse Gestaltung der grünen Mitte (mit unberührten Ecken für unsere heimische Flora und Fauna). Ein weiteres großes Anliegen wäre die Umsetzung des „Rad-Highways“ auf den alten Gleisanlagen. Vor allem wenn man bedenkt, dass auf die 86.930 Personen, welche in der Brigittenau leben, nur 23.562 in der Brigittenau gemeldete PKWs (!) kommen.

Betrachtet man die Grafik, sieht man, dass es in der Brigittenau um 16% mehr Verkehrs- und 9% mehr verbaute Flächen als im Rest von Wien vorhanden sind. In weiterer Folge bedeutet das auch mehr Verkehr, schlechtere Luftqualität und heißere Sommer. Machen wir uns also gemeinsam stark für eine gesunde und schöne Gestaltung des öffentlichen Raumes! Gemeinsam lässt sich viel erreichen- für eine gemeinsame kühle und frische Zukunft!
Meldet euch gerne, was sind eure Anliegen für den 20. Bezirk? Wie schaffen wir es deiner Meinung nach, viele Menschen zu motivieren, bei der Gestaltung des Bezirks mitzuwirken? Was sind Hemmungen, warum man sich nicht engagieren möchte?
Kontaktiert uns gerne! 😊
Weiterführende Infos:
- Auswirkungen der Natur auf Gesundheit und Wohlbefinden: Umweltbundesamt
- Was sind eigentlich Superblocks? Mehr dazu im Blog von Wir Machen Wien
- Ö1 Journal vom 07.05.25: Gartenstraßen und mehr
- Project for public spaces: Für gerechte Nutzung des öffentlichen Raumes
- Hitzetote vermeiden durch Begrünung: Wie Grünes Städten guttut
Schreibe einen Kommentar