Geheimes Baumsterben im „öffentlichen Interesse“

Wie kann es sein, dass  die Entfernung von 14 Bäumen in der Rebhanngasse vom Magistratischen Bezirksamt für den 2./20.Bezirk im „überwiegenden öffentlichen Interesse“ genehmigt wurde, ohne dass die Öffentlichkeit etwas davon erfährt? Von solchen Baumentfernungen erfuhren wir aus gut unterrichteten Kreisen, die uns den vor uns geheim gehaltenen Behördenbescheid einsehen ließen. Lesen Sie unsere Recherchen.

In dem Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes 2/20 (MBA2/20) vom 19.2.2025 ist festgehalten, dass „die örtlich zuständige Bezirksvorsteherin (Dubravac-Widholm) nach der Einräumung einer entsprechenden Stellungnahmemöglichkeit keinen Einwand“ gegen den Bescheid erhoben hat.

Seit 10 Tagen wartet die Bürgerinitiative Nordwestbahnhof auf eine offizielle Antwort der Behörde, welche Bäume wann und warum von der Baumfällung betroffen sind. Wir erfuhren von einer Mitarbeiterin lediglich, dass sie den entsprechenden „Bescheid leider nicht an andere Personen weitergeben (kann), … aber für Auskünfte gerne zur Verfügung (steht)“.

Was steht in dem Bescheid der MBA2/20?

Zusammengefasst darf die ÖBB-Infrastruktur insgesamt 65 Bäume auf ihrem Nordwestbahnhofgelände entfernen.

Rot umrandet sind die am 19.2.2025 durch die MBA2/20 genehmigten Rodungen von 65 Bäumen auf dem Nordwestbahngelände der ÖBB

Davon befinden sich 30 allein an der Rebhanngasse. Für die Entfernung weiterer 8 Bäume in der Rebhanngasse wurde laut Bescheid „bereits angesucht“. Übrig bleiben in der Rebhanngasse nur die 11 Stadtbäume am südlichen Ende der Rebhanngasse.

11 Stadtbäume auf städtischem Grund bleiben am südlichen Ende der Rebhanngasse erhalten

Aber auch an der Taborstraße dürfen 2 Bäume fallen. Und im Inneren des Nordwestbahnhofgeländes sind es noch einmal 24. Fehlen noch 6 Bäume an der Einmündung der Donaueschingenstraße und 3 Bäume an der Gasteigergasse, die laut Bescheid entfernt werden können.

Im folgenden lesen Sie im Wortlaut die uns wesentlich erscheinenden Passagen des Baumentfernungs- und Ersatzpflanzungsbescheids der MBA2/20 vom 19.2.2025, welcher bisher der Öffentlichkeit vorenthalten wurde:

BESCHEID

Die Bewilligung zum Entfernen der nachstehend angeführten und in den beigeschlossenen Plänen standortlich vermerkten Bäume wird gemäß §4 Abs. 1 Z. 1, 3 und 5 und Abs. 2 des Wiener Baumschutzgesetzes, LGBI. für Wien Nr. 27/1974, in der geltenden Fassung, erteilt…

Gemäß § 6 Abs. 2 bis 4 des Wiener Baumschutzgesetzes wird die Durchführung einer Ersatzpflanzung im Umfang von 152 Ersatzbäumen vorgeschrieben.Die ÖBB-Infrastruktur Aktiengesellschaft hat innerhalb einer Frist von 24 Monaten ab Rechtskraft des Bescheides dem Magjstratischen Bezirksamt für den 2./20. Bezirk ein Ersatzpflanzungskonzept hinsichtlich Art, Umfang und Standort von 152 Ersatzbäumen vorzulegen…

Wird die bewilligte Baumentfernung nicht innerhalb von zwei Jahren ab Rechtskraft des Bescheides durchgeführt, erlischt gemäß § 5 Abs. 6 Wiener Baumschutzgesetz die erteilte Bewilligung….

BEGRÜNDUNG

… Der Großteil der vorgefundenen Gehölze stockt augenscheinlich durch Selbstaussaat im ehemaligen Bahngelände. Aufgrund unzureichender Abstände zueinander und teilweise starkem Fremdbewuchs ist ein längerfristiger Bestand laut Gutachten nicht möglich bzw. werden diese Gehölze daher aus fachlicher Sicht als mäßig erhaltenswert eingestuft. Die gegenständlichen Bäume sind dem – in den Unterlagen grob skizzierten – Stadtentwicklungsvorhaben hinderlich und können bei Durchführung des Projekts nicht erhalten bleiben.

Bei den Bäumen Nr. … (Anmerkung der BI Nordwestbahnhof: Es werden 15 Nummern von Bäumen aufgeführt, von denen sich 14 an der Rebhanngasse befinden) liegt überwiegendes öffentliches Interesse an der Verwirklichung des Projektes vor. Die Bäume stocken auf einer Fläche der ÖBB Infrastruktur Aktiengesellschaft (ehemals Nordwestbahnhof), für die ein städtebauliches Leitbild als Stadtentwicklungsgebiet vorliegt. Es ist ein bedeutendes öffentliches Interesse an der Umsetzung des gegenständlichen Vorhabens mit den entsprechenden infrastrukturellen und wohnraumschaffenden Maßnahmen gegeben. Im Rahmen eines Übereinkommens zwischen der OBB Infrastruktur AG und der Stadt Wien hat man sich zur qualitätsvollen und nachhaltigen Entwicklung des Projektgebietes verpflichtet.

Diese Bäume in der Rebhanngasse dürfen laut MBA2/20 im „überwiegenden öffentlichen Interesse an der Verwirklichung des Projektes“ (Städtebauvorhaben Nordwestbahnhof) gefällt werden

Zentraler Bestandteil des Übereinkommens und einer zukünftigen Planung ist das Gestaltungskonzept der ‚Grünen Mitte‘, ein zentral gelegener durchgehender Grünraum, der zur öffentlichen Nutzung als Erholungsraum vorgesehen ist. Gemäß Übereinkommen verpflichtet sich die ÖBB-Infrastruktur Aktiengesellschaft zur Übernahme von Kosten der Entfernung und Ersatzpflanzung von Bäumen, die auf Flächen, welche an die Stadt Wien übergeben werden, stocken und im Bereich der ,Grünen Mitte‘ gepflanzt werden können (Punkt 9.5. des Übereinkommens). Das öffentliche Interesse an der Verwirklichung des Projektes überwiegt somit das Interesse an der Erhaltung des Baumbestandes bedeutend.

Die örtlich zuständige Bezirksvorsteherin erhob nach der Einräumung einer entsprechenden Stellungnahmemöglichkeit keinen Einwand…

Aufgrund zivilrechtlich geschlossener Vereinbarungen zwischen der OBB Infrastruktur AG und der Stadt Wien soll eine Übernahme von Ersatzpflanzungen auf zukünftig öffentlichem Gut (Bereich   ,Grüne Mitte‘) erfolgen. Die Ausgestaltung und Entwicklung dieses Gebietes soll im Rahmen eines, seitens der Stadt Wien für Ende 2024 auszuschreibenden, Wettbewerbes erfolgen und es können zum jetzigen Zeitpunkt daher keine konkreten Angaben zu Ersatzpflanzungsarten und Ersatzpflanzungsstandorten in diesem Bereich gemacht werden. (Der) ÖBB Infrastruktur Aktiengesellschaft war daher vorzuschreiben, ein entsprechendes Ersatzpflanzungskonzept nach Maßgabe dieses Bescheides nachzureichen…

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Sie haben das Recht gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Verwaltungsgericht zu erheben. Die Beschwerde ist innerhalb von vier Wochen (Anmerkung: D.h. bis 12.3.2025) nach Zustellung dieses Bescheides schriftlich beim Magistratischen Bezirksamt für den 2./20. Bezirk, Brigittaplatz 10, 1200 Wien einzubringen.


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Kommentare

Eine Antwort zu „Geheimes Baumsterben im „öffentlichen Interesse““

  1. Avatar von e.p
    e.p

    „Die Ausgestaltung und Entwicklung dieses Gebietes soll im Rahmen eines, seitens der Stadt Wien für Ende 2024 auszuschreibenden, Wettbewerbes erfolgen und es können zum jetzigen Zeitpunkt daher keine konkreten Angaben zu Ersatzpflanzungsarten und Ersatzpflanzungsstandorten in diesem Bereich gemacht werden.“

    Mit dieser Formulierung soll offenbar die Anwendbarkeit des Baumschutzgesetzes aufgeoben werden !
    Ob ein Bescheid die Gültigkeit eine Landesgesetzes aufheben kann, könnten Juristen sicher beantworten.
    Denn zulässige/mögliche Ersatzpflanzungsorte sind in §6 Abs.3 beschrieben.
    Gemäß §6 Abs 6 muß der Magistrat diese Ersatzüflanznegn durchführen wen der Bewilligungsträger (der geschützte Bäume fällen will) diese Ersatzpflanzungen nicht selbst durchführen kann/will. Für die Durchführung der Ersatzpflanzungen durch den Magstrat ist gemäß §9 eine Ausgleichsabgabe ( derzeit 1090 € je nicht selbst durchgeführter Ersatzplanzung) zu entrichten.

    Das Wiener Baumschutzgesetz ist zudem weitestgehend zahnlos und wirkungslos. So enthält es z.B. keinerlei Fristen für den Abschluss aller Arbeiten zur Durchführung der erforderlichen Ersatz- oder Um-Pflanzungen.

    Jetzt wurden diese Bäume gefällt,
    jetzt wird das in ihnen gebundenen CO² wieder frei werden,
    jetzt fehlt ihre kühlende Wirkung und
    jetzt wurde der Biodiversitätsraum in ihren Kronen und ihrem nahen Umfeld zerstört
    aber vermutlich frühestens erst in 10 Jahren werden dann irgendwo in der grünen Mitte des Stadtentwicklungsgebietes Nordwestbahnhof – vielleicht, wenn sich dann „irgendwer“ überhaupt noch an diese Verpflichtung erinnern kann, ein paar Baum-Setzlinge gepflanzt werden, die dann zumindest noch weitere 20 Jahre benötigen werden, um das Kronen-Volumen – und damit die Kühlwirkung und die Größe des Biodiversitätsraums – jener Bäume wieder zu erreichen, die jetzt gefällt wurden/werden.
    Ihr werdet dann – wenn diese Ersatzbäume bis dahin überlebt haben – vermutlich das Jahr 2055 schreiben und werdet euch im Sommer in Wien wegen unerträglicher Hitze nicht mehr im Freien aufhalten können.

    Die nun gefällten Bäume werden zudem nicht die letzten Bäume sein, die dem angeblich öffentlichen Interesse – tasächlich aber den Interessen der Immobilieninvestoren – geopfert wurden.

    Denn auch in der Wallensteinstraße, in der Nordwestbahnstraße, der Hellwagstraße und auf den Kleingartenarealen zwischen Innstraße und Hellwagstraße werden noch sehr viele Bäume gefällt werden müssen – soviel Orte für Ersatzpflanzungen gibt es ja in nächster Umgebung dieser Rodungstellen gar nicht mehr !
    Daher zur Erinnerung einige Passagen des Baumschutzgesetzes :
    § 1. (1) Zur Erhaltung einer gesunden Umwelt für die Wiener Bevölkerung ist der Baumbestand im Gebiete der Stadt Wien nach den Bestimmungen dieses Gesetzes geschützt ohne Rücksicht darauf, ob er sich auf öffentlichem oder privatem Grund befindet.

    Bäume in Kleingartenanlagen sind allerdings davon ausgenommen – an die Auflösung von Kleinagartennanlagen hat aber dabei vermutlich niemand gedacht.

    § 4. (1) Das Entfernen von Bäumen bedarf einer behördlichen Bewilligung. Die Bewilligung ist zu erteilen,
    wenn …
    4. bei Bauvorhaben ohne die Entfernung von Bäumen die Bebauung der im Bebauungsplan ausgewiesenen oder nach der festgesetzten Bauweise sich ergebenden unmittelbar bebaubaren Fläche eines der Bauordnung für Wien entsprechenden Bauplatzes nicht zur Gänze möglich ist, wobei jedoch
    in den Bauklassen I und II bei offener oder gekuppelter Bauweise, wenn keine Baufluchtlinien festgesetzt sind, die Gebäude und baulichen Anlagen so zu situieren sind, daß grundsätzlich höchstens 20 v. H. der durch dieses Gesetz geschützten Bäume entfernt werden müssen oder
    5. bei anderen als in Z. 4 genannten Bauvorhaben, Straßen-, Verkehrs- oder sonstigen Projekten das öffentliche Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens oder Projektes das Interesse an der Erhaltung des Baumbestandes bedeutend überwiegt oder

    Bei Bauvorhaben muss also die Behörde Baumfällungen ohnehin immer genehmigen und gibt es also keinerlei Schutz von Bäumen, unbhängig von ihrem Wert für Umwelt und Klima.

    Dass bisherige Bauflächen mit Baumbestand wieder zu Grünflächen rückgewidmet werden könnten/sollten, wenn Bauprojekte auf Baumbestand keine Rücksicht nehmen, wäre auch eine Möglichkeit, den Baumbestand zu schützen.

    Ein Hochbau ist in ca. 5 Jahren errichtet und bezugsfertig.
    Ein Baum braucht jedenfalls ab dem ersten Aufkeimen ca. 30 Jahre, bis seine Krone ihre kühlende Wirkung entfalten kann und die Vielfalt tierischen und pflanzlichen Lebens in seiner Umgebung wieder zugenommen hat.

    zu Ersatzpflanzungen:
    §6. (2) Das Ausmaß der Ersatzpflanzung bestimmt sich derart, daß pro angefangenen 15 cm Stammumfang des zu entfernenden Baumes, gemessen in 1 m Höhe vom Beginn der Wurzelverzweigung, ein Ersatzbaum mittlerer
    Baumschulenqualität (8 bis 15 cm Stammumfang) zu pflanzen ist.

    Mit diesem Gesetz geschützt sind aber nur Bäume mit einem Stammumfang von zumindest 40 cm ( bzw. ca 6 cm Stammdurchmesser ).
    Bäume mit 8 cm Stammumfang ( bzw. ledglich1,3 cm Stammdurchmesser !) werden aber bereits als Ersatzpflanzumgen für gefällte Bäume akzeptiert.
    Solche Bäume sind für Laien als Bäume zumeist noch gar nicht erkennbar und das Überleben solcher Baüme dürfte zudem nicht nur wegen immer längerer Trockenperioden reines „Glücksspiel“ sein.
    Zudem fallen solche „Ersatzbäume“ mit ihren 8 cm Stammunfang auch nicht mehr unter das Baumschutzgesetz und könnten diese daher sogar kurz nach ihrer Pflanzung (nachdem der Fokus der „öffentlichen Meinung“ auf andere Themen gelenkt wurde) problemlos wieder entfernt werden.

    §7. (2) Die im Zuge von Ersatzpflanzungen gepflanzten Bäume gelten als Baumbestand im Sinne des § 1.

    Das Gesetz ist offnsichtlich fehlerhaft : Denn in §1.(1) müssen durch dieses Gesetz geschützte Bäume einen Stammumfang von zumindest 40 cm aufweisen. Ersatzbäume können aber mit einem Stammumfang von nur 8 cm gepflanzt werden.
    Auch wenn Juristen das vielleicht nicht wissen, sind gepflanzte Ersatzbäume in der Natur irgendwo auf einer Grünfläche nicht als solche erkennbar und können daher schon aus diesem Grund nicht ausreichend geschützt – und vielleicht auch gepflegt – werden.

    §6. (3) Die Durchführung der Ersatzpflanzung obliegt – abgesehen von den Fällen des Abs. 6 – dem Träger der Bewilligung nach § 4, der sie in erster Linie auf derselben Grundfläche, wenn dies nicht möglich ist, in einem Umkreis von höchstens 300 m vom Standort des zu entfernenden Baumes auf eigenem oder fremdem Grunde vorzunehmen hat.

    §6. (4) … Der Standort der Ersatzpflanzung ist in Plänen oder Skizzen zu bezeichnen, welche dem Bescheid anzuschließen sind, wobei auf den Beilagen zu vermerken ist, daß sie einen Bestandteil des Bescheides bilden.

    Ihren Standort aber genau zu vermessen ist offenbar nicht vorgesehen. Auch sind Gärtner nicht mit Vermessungsgeräten ausgestattet, um im Plan eingezeichnete Bäume auch in der Natur endeutig identifizieren zu können, um Verwechslungen mir „irgendwelchen Sträuchern“ im Zuge von Auslichtungsarbeiten zu vermeiden.

    §6. (5) Sind Möglichkeiten für eine Ersatzpflanzung nach den vorstehenden Bestimmungen nicht oder nicht ausreichend gegeben, so ist im Bescheid gemäß § 5 Abs. 3 festzustellen, in welchem Ausmaß der Ersatzpflanzung nicht entsprochen werden kann, und es ist hiebei das Ausmaß der nicht erfüllbaren
    Ersatzpflanzung auszuweisen.

    Wenn also kein Platz für Ersatzplanzungen vorhanden ist, müssen auch keine Ersatzpflanzungen durchgeführt werden.
    Das dürfte aber auf fast alle bereits gefällten und noch zu fällenden Bäume im Projektgebiet Nordwestbahnhof und seiner näheren Umgebung zutreffen.
    In diesen Fällen – wenn kein Platz für Ersatzplanzungen zur Verfügung stehen sollte – beantragte Baumschlägerungen abzulehnen , war für die Gesetzgeber offenbar keine Möglichkeit, Bäume vor Fällungen zu schützen.

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