Am 21. April 2023 gab Planungsdirektor Herr DI Madreiter in einem einstündigen Gespräch mit Vertretern der BI Nordwestbahnhof Antworten zur bisherigen und zukünftigen Beteiligung der BürgerInnen an der Stadtplanung des Nordwestbahnhofgeländes. Die partizipative Stadtplanung hatte Herr Madreiter in einem Interview von „Mein Wien 04/2023“ „für unverzichtbar“ gehalten. Die BI Nordwestbahnhof fragte daraufhin Herrn Madreiter, ob bestimmte, uns wichtige Empfehlungen der BürgerInnen von 2008 in der Planung noch berücksichtigt werden und wie genau die BürgerInnen zukünftig beteiligt würden. Wir dokumentieren hier die wesentlichen Antworten Madreiters.
Vorab gab Herr Madreiter ein persönliches Statement ab: Er sei selbst Radfahrer und habe die innere Überzeugung, dass Beteiligung gut ist.
Anschließend erläuterte er die allgemeinen, städtischen und gesetzlichen BürgerInnenbeteiligungsprozesse und Planungen zum Nordwestbahnhof.
Der städtische Prozess sei hier ein gestufter:
- Flächenwidmungs- und Bebauungsplan
- Darauf aufbauend Planung der öffentlichen Räume (Straßenräume und Grüne Mitte) sowie einzelner Baukörper (z.B. Schulen); Wettbewerbe für Bebauung; Qualitätssicherung durch Beirat
- Bewilligung durch die Baupolizei
Der Nordwestbahnhof sei ein Idealfall, weil es hier nur minimalen Erschließungsaufwand gebe.
PKW-Verkehr solle gering gehalten werden, daher seien hier nur Stichstraßen und keine neuen Durchzugsstraßen geplant.
Völlig anders verlaufe der gesetzliche Städtebau-Umweltverträglichkeits(UVP)-Prozess, der ab einer gewissen Größe eines Vorhabens obligatorisch sei. Nicht die Stadt sondern derjenige, der baue, sei hier der Norm des UVP-Gesetzes unterworfen. Das UVP-Recht betreffe daher nur die Eigentümer.
Für AnrainerInnen gestalte sich der städtische Beteiligungsprozess wie folgt:
- Entwurf des Flächenwidmungs- und Bebauungsplan
- Check der Fachleute
- BürgerInnenbeteiligung
(formell gemäß §2 Abs 5 u. 6 Bauordnung für Wien und
informell gemäß Kapitel 5.4 Masterplan Partizipation) - Umfänglicher Bericht
- Entscheidung der Politik
Zur Berücksichtigung uns wichtiger Empfehlungen der BürgerInnenbeteiligung von 2008 gab Madreiter folgende Antworten:
Empfehlung „leistungsfähige Straßenbahn in Längsrichtung durchs Areal“
Laut Madreiter solle keine Straßenbahn durch die Grüne Mitte geführt werden, um die Parkfläche zu maximieren und die AnrainerInnen nicht zu stören. Eine Straßenbahn in der Nordwestbahnstraße wurde von der MA 18 umfänglich geprüft.
Empfehlungen „keine höheren Gebäude als derzeit rundherum“, „keine Hochhäuser“, „Erhaltung der bestehenden Kleingärten“
Madreiter gehe es darum, zentrale, wertvolle und hochwertig erschlossene Flächen intensiv zu bebauen. Die diesbezügliche Planung sei keiner Willkür sondern ökologischer Orientierung geschuldet: Die Mitte des Areals solle als Grünfläche maximiert und die Baufelder am Rand dafür dichter bebaut werden. Zur Bestandsbebauung wird die hier übliche Bauklasse IV grundsätzlich nicht überschritten. Durch punktuell höhere Gebäude an der Kante zur Grünen Mitte und den Bau von 4 Hochhäusern im Inneren des Areals könne ein größerer, wahrnehmbarer Freiraum geschaffen werden, der auch für die BewohnerInnen des Bestands nutzbar sei.
Die BI-Vertreter wandten ein, dass die Erhaltung bestehenden Grüns auch wertvoll sei, Hochhäuser gegenüberliegenden Häusern das Licht nehmen würden, die geplante Bruttogeschossfläche mit anderen Mitteln erzielt werden könne und die Bebauungsdichte in diesem Gebiet jetzt schon sehr hoch sei.
Auf ihren weiteren Einwand, es gebe eine Studie, die besagt, dass in den vergangenen Jahren in Wien doppelt so viel gebaut als gebraucht worden sei, fragte Madreiter, von wem diese Studie sei. Es sei jedenfalls nicht zu viel gebaut worden. Wien sei allein im letzten Jahr 2022 um 50.000 EinwohnerInnen gewachsen. Wegen dieser Bevölkerungswachstumsdynamik und dem daraus resultierenden Mangel an leistbaren Wohnungen müsse die Beschaffung leistbaren Wohnraums besser werden. Es gebe einen hohen Anteil frei finanzierten Wohnbaus. Der Anteil geförderten Wohnbaus solle aber höher sein. Die Bebauungsdichte sei nicht zu hoch.
Die BI-Vertreter schlugen vor, das Problem der Beschaffung leistbaren Wohnraums durch Erhöhung des Anteils geförderter Wohnungen von 60% auf 80% zu lösen und bemängelten, dass diese Variante nicht geprüft worden sei. Außerdem könne der Bestand besser genutzt werden.
Madreiter findet es grundsätzlich wichtig, Lösungen für den Bestand zu suchen, jedoch sei das keine ausreichende Lösung für eine wachsende Stadt. Die Problematik befindet sich im Mietrecht, das ist eine bundesgesetzliche Materie, und hat eine ökonomische Komponente (Transaktionskosten bei Übersiedlungen, höhere Mieten wenn man von einer billigen großen in eine neue kleine Wohnung übersiedelt). Das Thema ist nicht der Stadtplanung zuzurechnen. Er zieht einen Vergleich mit dem Helmut Zilk Park, der einen großen Mehrwert für das historische Favoriten entfaltet hat und von den Bewohner*innen gut genützt wird.
Empfehlung „sichere und schnelle Radverbindungen (Radverkehrskonzept)“
Die Zielsetzung für die Grüne Mitte sehe laut Madreiter tendenziell Langsamverkehr vor. Es würde daher Konflikte mit sich bringen, einen schnellen Radweg mitten durchs Areal zu führen. Auf der Fläche der alten Bahntrasse würden Fuß- und Radwege getrennt angelegt. A la long sei die Lösung, den Kfz-Verkehr in den Umgebungsstraßen so stark zu beruhigen, dass auf den normalen Straßen auch ein schneller Radverkehr möglich ist.
Die BI-Vertreter wandten ein, dass sich die Kfz-Zahlen in den Umgebungsstraßen des Areals bis 2035 massiv erhöhen würden, es daher ein Stellplatzregulativ brauche. Niemand tue kund, wo denn der Radschnellweg genau geführt werden solle.
Madreiter räumte ein, dass er den höheren Kfz-Verkehr auf den Umgebungsstraßen nicht anzweifle oder wegdiskutieren könne: Weil wir künftig dort mehr EinwohnerInnen hätten, bekämen wir dort auch mehr Kfz. In der Gesamtstadt solle sich jedoch der Kfz-Verkehr reduzieren. Es sei ein Grundtrend, dass der Motorisierungsgrad sinkt. Beim Bau des Nordbahnviertels sei es für die BewohnerInnen im Bestand nicht schlechter geworden.
Zukünftige BürgerInnenbeteiligung
Am Ende des Gesprächs ging es um eine zukünftige BürgerInnenbeteiligung.
Die BI-Vertreter mahnten eine neue BürgerInnenbeteiligung ein, weil die Ergebnisse von 2008 veraltet seien, fragten nach Art und Konzept einer solchen Beteiligung sowie nach einer etwaigen Beauftragung der Gebietsbetreuung damit.
Laut Madreiter werde den BürgerInnen bei der Erstellung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplans die gesetzlich vorgeschriebene Möglichkeit geboten, Einwendungen einzubringen. Auch die Parkplanung werde in der Regel im Dialog mit den BürgerInnen festgelegt, wenn die zuständigen Fachabteilungen dies so vorsehen. Das Gesamtkonzept sei aber nach Beschlussfassung determiniert und eine Beteiligung werde es nur innerhalb des Gesamtkonzeptes geben. Er werde bei der Parkplanung persönlich darauf hinwirken, dass die BürgerInnen bei der konkreten Umsetzungsplanung Gelegenheit zur Mitwirkung bekommen. Ob und wenn ja, in welcher Form die Gebietsbetreuung mit einer BürgerInnenbeteiligung beauftragt werde, sei noch nicht klar. Die Stadt wolle die Planungen sehr rasch in die Öffentlichkeit bringen.
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