Mündliche Verhandlung

Am 14. April 2023 findet ab 9:00 Uhr die öffentliche, mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (1030 Wien, Erdbergstraße 192-196, Saal 12, Einlass ab 8:15 – 8:40 Uhr wegen Sicherheitskontrolle, u.U. wird ein Lichtbildausweis verlangt) über die Beschwerden von der Bürgerinititative Nordwestbahnhof und von anderen gegen den UVP-Bescheid der Wiener Landesregierung zur Genehmigung des Städtebauvorhabens Nordwestbahnhof statt. Einzige Antragstellerin war seinerzeit die ÖBB Immobilienmanagement GmbH (ÖBB Immo).

Interessierte, Betroffene und Umweltbewegte sind herzlich eingeladen, im Zuschauerraum Platz zu nehmen und damit dem Richter die Wichtigkeit und Unterstützung der BürgerInnen-Anliegen zu signalisieren.

Es werden einerseits die Plädoyers der Anwälte der beiden Beschwerde-FührerInnen  – Mag. Wolfram Schachinger für die Bürgerinitiative Nordwestbahnhof und Dr. Josef Unterweger für das Forum Wissenschaft & Umwelt – sowie des Anrainers Martin Raab und andererseits auch der Anwälte der geladenen Wiener Landesregierung und der ÖBB Immo erwartet.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Beschwerden der Zivilgesellschaft zum Nordwestbahnhof kann Leitbildfunktion für ähnliche, künftige Rechtsfälle im Zusammenhang mit österreichischen Städtebauvorhaben wie z.B. dem Städtebauvorhaben Oberes Hausfeld haben.

Daher ist es wichtig, dass möglichst viele BürgerInnen die Anliegen der Zivilgesellschaft durch ihre Anwesenheit im Gerichtssaal und / oder durch Spenden zur Finanzierung ihrer Anwälte, GutachterInnen u.a. unterstützen.

Es werden im Prinzip folgende Urteilsvarianten erwartet: Bestätigung des städtischen UVP-Bescheids, Zurückverweisung an den Start des UVP-Verfahrens (unwahrscheinlich), Verweis an den EuGH zur Entscheidung über die EU-rechtskonforme Umsetzung des österreichischen UVP-Gesetzes oder Bestätigung des städtischen UVP-Bescheids mit zusätzlichen Auflagen.

Wir fassen hier die Beschwerdegründe der Bürgerinitiative Nordwestbahnhof wie folgt zusammen:

Die Wiener Landesregierung hätte das Städtebauvorhaben Nordwestbahnhof unter Bezug auf den umfassenden Vorhabensbegriff des §2 Abs 2 UVP-G genehmigen müssen, welcher „sämtliche  (mit dem Vorhaben) in einem Zusammenhang stehende Maßnahmen“ einschließt. Stattdessen bezieht sich die Wiener Landesregierung bei ihrem Bescheid aber auf ein, nicht hinreichend konkretes Vorhaben, das  im Anhang l Z18 Iit.b UVP-G „Städtebauvorhaben“ genannt wird und dort als die „Erschließung eines Geländes zum Zwecke der gesamten multifunktionalen Bebauung“ beschrieben wird. Damit schließt ein so genanntes „Städtebauvorhaben“ nur weniger (konkrete) Maßnahmen eines Vorhabens ein. Auch wird es im Gesetz §17 Abs 9 und 10 UVP-G nur im Zusammenhang mit bereits erteilten Genehmigungsbescheiden erwähnt.

Die Wiener Landesregierung bezieht sich bei ihrem Genehmigungsbescheid auf den „Leitfaden UVP für Städtebauvorhaben“ des Jahres 2013, nach dem der Detaillierungsgrad speziell von Städtebauvorhaben geringer als von anderen Vorhaben sein kann aber jedenfalls „Aussagen und Beurteilungen der aus dem Gesamtprojekt resultierenden Umweltauswirkungen“ erlauben muss. Die landeseigenen Sachverständigen – insbesondere die für Gewässerschutz und Umweltmeteorologie – gaben aber in ihren Gutachten selbst zu, dass der vorgelegte Detaillierungsgrad keine Beurteilungfähigkeit des Vorhabens hinsichtlich der Umweltauswirkungen erlaubt.

Die Wiener Landesregierung erkennt betreffend den Tatbestand „Städtebauvorhaben“ im Anhang l Z18 Iit.b UVP-G keine unionswidrige Umsetzung des Tatbestandes „Städtebauprojekte“ der EU UVP-Richtlinie (UVP-RL) . Die UVP-RL, die keine „Vorhaben“ sondern nur „Projekte“ kennt, definiert jedoch „Städtebauprojekte“ im Gegensatz zum österreichischen UVP-G nicht anders als andere „Projekte“, nämlich so: „Die Errichtung von baulichen oder sonstigen Anlagen, sonstige Eingriffe in Natur und Landschaft einschließlich derjenigen zum Abbau von Bodenschätzen“. Wegen der speziellen, unionswidrigen Begriffsdefinition von „Städtebauvorhaben“ im UVP-G müsste die Landesregierung auf eine direkte Anwendung der EU UVP-RL bei ihrem Genehmigungsbescheid zurückgreifen .

Die Wiener Landesregierung behauptet, dass speziell bei Städtebauvorhaben bundes- oder landesrechtliche „Materiellrechtliche Genehmigungsbestimmungen (im Sinne des §3 Abs. 3 UVP-G etwa zum Naturschutz oder zur Bauordnung) … nicht (in einem konzentrierten Verfahren gemeinsam mit der Umweltverträglichkeitsprüfung) … angewendet“ werden müssen sondern gemäß §17 Abs. 9 UVP-G  der Umweltverträglichkeitsprüfung nachgelagert sind . Diese Behauptung widerspricht aber §3 Abs 3 und wird auch nicht mit §17 Abs. 9 UVP-G gerechtfertigt. Sogar die Antragstellerin ÖBB Immo überlässt die Entscheidung der Behörde, ob die Anwendung mitzukonzentrierender Materiengesetze gleichzeitig mit der Umweltverträglichkeitsprüfung zu den Genehmigungsvoraussetzungen gehören muss.

Die Wiener Landesregierung hat das Städtebauvorhaben der ÖBB Immobilienmangagement GmbH genehmigt, obwohl offensichtlich ist, dass Maßnahmen wie die Errichtung von (Stich- und Fußgängerzonen-) Straßen, der geplanten neuen Straßenbahntrasse auf dem Gelände sowie der Auflassung der Eisenbahnstrecke vorhabensgegenständlich sind bzw. gemäß §3 Abs 2 UVP-G in einem zeitlichen, räumlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Vorhaben stehen. Weil aber ein Straßenerrichter, ein Straßenbahnunternehmen und ein Eisenbahnbetreiber als zwingende Mitantragsteller nicht dem  Verfahren beigetreten sind, hätte es vor einem Genehmigungsbescheid erst zu einer gänzlich neuen Antragstellung hinsichtlich Umweltverträglichkeitsprüfung kommen müssen.

Die Wiener Landesregierung hat das Städtebauvorhaben genehmigt, obwohl die ÖBB Immo nur veraltete Verkehrslärmbelastungszahlen aus dem Jahre 2006 und keine aktuellen Zahlen – nach faktischer Auflassung des Güterbahnbetriebs (falsche Nullvariante) – vorgelegt hat, die man mit  den prognostizierten Zahlen nach geplanter Fertigstellung des Vorhabens im Jahre 2035 (Projektvariante) hätte vergleichen können. Die ÖBB Immo argumentiert in ihrer Beschwerdebeantwortung jedoch, dass „eine Nichtumsetzung des Städtebauvorhabens … jedenfalls … zur Wiederbelebung des Eisenbahnbetriebes und somit zu einer entsprechenden Steigerung des Verkehrsaufkommens am Gelände (mit entsprechendem Lärm wie 2006) führen“ würde.

Die Wiener Landesregierung hat das Städtebauvorhaben genehmigt, obwohl die Bürgerinitiative Nordwestbahnhof unzumutbare (großteils nicht untersuchte) Belästigungen hauptsächlich zum Verkehrslärm aber auch andere Verstöße gegen die umweltrechtlichen Schutzvorschriften geltend gemacht hat. Es konnte aber tatsächlich gar keine ordnungsgemäße Beurteilung etwa der Auswirkungen des Verkehrslärms erfolgen, da aktuelle Verkehrslärmzahlen und andere wesentliche Vorhabensteile, die etwaige Beeinträchtigungen beim Gewässerschutz oder bei der Umweltmeteorologie berühren , dem Verfahren entzogen wurden.

Die Wiener Landesregierung hat das Städtebauvorhaben genehmigt, obwohl die ÖBB Immo einerseits die mangelnde Konkretisierungsfähigkeit des Vorhabens  im derzeitigen Grobplanungsstadium behauptet sich andererseits selbst mit ganz konkreten Vorhabensdetails (soweit für die Antragstellerin von Vorteil) etwa in Bezug auf genaue Angaben zu den Bruttogeschossflächen oder zur Anzahl der Stellplätze widerspricht (Inkonsistenter Konkretisierungsgrad/bewusste Verschweigung von Vorhabensteilen).


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