In einem interessanten Projekt der Wiener TU Fakultät für Architektur und Raumplanung präsentierten acht StudentInnen-Gruppen am 1. Februar 2023 im Institut für Kunst und Gestaltung ihre Studienergebnisse zur Neugestaltung des Nordwestbahnhofgeländes. Ihre Fragestellungen waren gewesen, ob mit dem Städtebauvorhaben Nordwestbahnhof eine umweltverträgliche Bebauung eingehalten wird, welche Best-Practice Beispiele bzw. Wunsch-Szenarien es für eine „gebaute Zukunft“ auf dem Gelände gibt und welche Aktualisierungen, die als eine sinnvolle und positive Erweiterung des Bestehenden anzusehen sind, von ihnen vorgeschlagen werden.
Geladen waren neben ihren KommilitonInnen auch folgende Gäste aus Stadtverwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, die vom Moderator Dr. Otto Mittmannsgruber um ihr Feedback zu den Ausführungen der Studierenden gebeten wurden:
– DI Ljuba Goger, MA 21B – Stadtteilplanung und Flächenwidmung Nordost
– DI Manuela Buxbaum – ÖBB Liegenschafts- und Stadtentwicklung, Projektkoordination Nordwestbahnhof
– Rolf Nagel, Sprecher der Bürgerinitiative Nordwestbahnhof
Die acht Präsentationen, deren zugehörige digitale Dokumente so bald verfügbar sukzessive hier verlinkt werden, fassen wir – samt Feedback der geladenen Gäste -wie folgt zusammen:
In der ersten Präsentation Bestandserhaltung am Beispiel des Nordwestbahnhofs plädierten die StudentInnen für die Erhaltung der Gebäude zur Stärkung des Geschichtsbewusstseins der Bevölkerung und Reduzierung des CO2-Fußabdrucks von Gebäuden. Die mehr als 30 alten Hallen und Bürogebäude könnten für Ateliers, Werkstätten, Musik- oder Theaterprobenräume, Indoor-Spielplätze, Jugend- oder Freizeitzentren, Konzerte,Theateraufführungen, Messen, Wohn-, Bürger- oder Kulturzentren, Fotolabore, Coworking-Spaces, Yogakurse, Ausstellungen, Sportveranstaltungen oder Indoormärkte genutzt werden.
Frau Buxbaum gab jedoch zu bedenken, dass zunächst einmal ein Investor mit zukunftsträchtigem Geschäftsmodell gefunden werden müsse, der das Risiko und die Kosten solcher alternativen Bestandsnutzungen übernehmen könne. Das sei schwer genug. Einem solchen Investor würde die ÖBB das Gebäude sogar schenken. Der Stadt würde Erhalt und Nutzung der teils baufälligen Bestandsgebäude jedenfalls viel mehr kosten als Abriss und Neubau. Dem hielten die StudentInnen natürlich entgegen, dass die Klimaschäden von Neubauten die Gesellschaft viel mehr kosten würden als Erhalt und Renovierung von Bestandsbauten.
Frau Goger wies daraufhin, dass jedenfalls die alte Post und das alte Stellwerk sowie der Wohnkomplex aus den 70er-Jahren an der Ecke Nordwestbahnstraße und Taborstraße, wo ganz früher einmal das alte Bahnhofsgebäude stand, erhalten blieben und gemäß Städtebaulichem Leitbild Nordwestbahnhof integriert würden.
In ihrer zweiten Präsentation „Die Grüne Hülle“ plädierten die StudentInnen für mehr Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünung. Das reduziere die Klimaerwärmung, fördere die Gesundheit und erhalte die Diversität von Tieren und Pflanzen.
Frau Buxbaum wies darauhin, dass man auf dem Gelände eine Äskulapnatter und Fledermäuse gefunden habe, für die es in der Grünen Mitte Ausgleichsflächen geben werde.
Herr Nagel hielt dem entgegen, dass sich die Äskulapnatter auf der „Roten Liste“ der gefährdeten Tierarten befinde und in den Kleingärten des Geländes gefunden worden sei, die jedoch zerstört und mit Hochhäusern bebaut werden sollen; ob sich die dort noch bestehende Tierwelt wirklich in die Ausgleichsflächen der Grünen Mitte übersiedeln lasse, sei eine offene Frage.
Frau Buxbaum sprach den StudentInnen ein Kompliment für ihre Präsentation aus. Es müsse im Bebauungsplan ein hoher Anteil an Begrünung vorgesehen werden. Die Übersiedlung der Tierwelt werde für die Grünraumplaner sicher eine Herausforderung. Was mit dem Kleingartengelände passiert, sei noch offen.
In ihrer dritten Präsentation „ich sehe Wasser“ plädierten die StudentInnen für Wasserflächen auf dem Gelände etwa durch Anlage von Regenwasserbecken. Diese sorgten für Frischluft und Kühlung durch Verdunstung und könnten zur Bewässerung von Bäumen und Grünanlagen in der Umgebung genutzt werden. Wenn sie nicht gefüllt sind, könnten sie als Spielplatz dienen.
Herr Nagel fragt Frau Goger, ob es laut Gemeinderat Erich Valentin ein kleines Bächlein durch das Gelände geben solle, das durch hochgepumptes Grundwasser gespeist werden und in dieselbe Richtung wie die Donau fließen soll.
Frau Goger antwortet, dass die Behörden diese Idee von Gemeinderat Valentin erst noch prüfen müssten.
Frau Buxbaum meint, dass mit der Anlage von Wasserflächen auch Haftungsfragen bei Unfällen verbunden seien.
In ihrer vierten Präsentation „Punkte der Identifikation“ stellten die StudentInnen eine beliebte Identifizierung der Bevölkerung mit Grünflächen fest. Ihre Umfrage hätte ergeben, dass BürgerInnen sich am meisten mit Freizeit-Aktionsmöglichkeiten in Grünräumen ohne Verkehr identifizieren würden. Die von ihnen befragte Stadtpsychologin Dr. Cornelia Ehmayer-Rosinak plädiere speziell für viele kleine Grünflächen statt großen Parks wie der Grünen Mitte.
In ihrer fünften Präsentation „Alternatives Wohnen am Nordwestbahnhof – Wohnungsmarkt&Kapitalismus“ stellten die StudentInnen u.a. das Kollektiv habiTAT vor, welches sich zur Aufgabe macht, selbstorganisierte und sozialgebundene Mietshausprojekte in Österreich zu unterstützen und zu verwirklichen.
In ihrer sechsten Präsentation NWBH Wir brauchen hier plädierten die StudentInnen für mehr BürgerInnen-Beteiligung – auch von BürgerInnen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Anmerkung des Verfassers: Gemäß § 4 Abs 4 UVP-G konnten uns viele BrigittenauerInnen ohne österreichische Staatsbürgerschaft nicht mit ihrer Unterschrift unterstützen). Am Nordwestbahnhof seien die BürgerInnen nur zweimal im Abstand von 8 Jahren um Ihre Meinung gebeten worden. Die letzte Infoveranstaltung habe 2016 stattgefunden und für die Zukunft sei zurzeit noch keine weitere Beteiligung geplant. Dabei sei laut der interviewten, stellvertretenden Projektleiterin des GB*Stadtteilbüros, Nina Chladek-Danklmaier, das Interesse an Information und Beteiligung von AnrainerInnen des Nordwestbahnhofs groß.Im Interview mit der Lehrbeauftragten an der Fakultät für Architektur und Raumplanung der TU Wien, Dipl.-Ing. Daniela Allmeier, habe diese für die Einbeziehung von möglichst vielen gesellschaftlichen Gruppen votiert – insbesondere von Jüngeren vor allem via neue Kommunikationsmedien.
Frau Goger erklärt die zeitlichen Lücken in der BürgerInnen-Beteiligung damit, dass es nichts Neues zu berichten gegeben hätte. Es würden aber weiter laufend Informations- und Beteiligungsprozesse insbesondere bei der Planung der Grünen Mitte gestartet werden. Verantwortlich dafür sei eine eigene städtische Stabsstelle BürgerInnenbeteiligung und Kommunikation. Auch das von der ÖBB betriebene Info-Center Stadtraum Nordwestbahnhof sowie die ehemalige Postbusgarage auf dem Gelände solle zur Information über das Städtebauvorhaben Nordwestbahnhof genutzt werden.
Auf die Interview-Frage der StudentInnen, ob weitere Beteiligungsprozesse geplant und falls ja, in welchem Zeitraum geplant seien, antwortete jedoch Frau Nina Chladek-Danklmaier von der Gebietsbetreuung mit Unwissenheit: „Es gibt grobe Zeitpläne, aber ob es da jetzt noch Beteiligungsverfahren geben wird, kann ich nicht genau sagen. Das würden ja nichtwir initiieren, sondern wir würden damit beauftragt werden.“
Auch die beiden letzten beiden Präsentationen „What’s next“ und „Orientierung im Stadtraum“ über die Notwendigkeit von Blinden-Leitsystemen im neuen Nordwestbahnhof-Viertel waren sehr interessant und werden hier sobald möglich verlinkt.
Am Schluss wurde auf die hervorragenden Arbeiten der StudentInnen mit einem Glaserl Sekt des Instituts angestoßen und gefeiert.
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